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Ihr seid zeigt eure Arbeit wohl zum
ersten Mal an einer Messe. Ist sie auch ein Kommentar zum Kunstmarkt?
lizviz: Wir berücksichtigen schon den Kontext der Kunstmesse, aber:
Kommentar? Das klingt so kritisch. Ich bin nicht kritisch gegenüber
der Messe. Es muss ja einen Markt geben für Leute, die was kaufen
wollen – wär’ ja Scheisse, wenn’s keinen gäbe.
Ich würd’s als Zeitverschwendung erachten, jetzt drüben
auf der Liste etwas zu präsentieren, das nicht käuflich wäre.
Wofür? Da ginge ich lieber in den Zoo. Im [plug.in] ist es anders:
Der Raum bestimmt das Material, wir bestimmen das Thema.
Und was ist das Thema?
Hans Bernhard: Sowohl im [plug.in] wie an der Liste liegt Technologie
zu Grunde: eine ziemlich ausbaubare Technologie, die man in verschiedenen
Applikationen verwenden kann. Sie generiert Kontoauszüge. Du kannst
am Bildschirm frei auf einer Maske eingeben, ob du eine Gutschrift, einen
Eigeneinlage, eine Abbuchung etc. definieren möchtest, den Betrag
eintippen, deine Kontonummer angeben etc. und über diese Maske einen
Kontoauszug generieren.
Im [plug.in] zeigen wir acht auf Kunststoff gedruckte Bilder. Diese verwenden
die generierten Vorlagen nicht in dem Sinne, wie man sich das für
den täglichen Geschäftsverkehr vorstellen könnte, etwa
um mit dem Bankauszug bei einem Kredithändler Geld zu erschwindeln.
Der Bankauszug lässt sich schon ausdrucken, aber das Bild schaut
ganz anders aus. Es ist sehr abstrakt.
Was passiert zwischen dem Formular, der quasi Fälschung
eines normalen Bankauszuges und den abstrakten Bildern?
Hans Bernhard: Die Basisüberlegung ist die Technologie.
lizvlx: Man muss sich unter Technolgie jetzt nicht weiss Gott was vorstellen
– das ist ein Skript von zwei Din A4-Zetteln.
Hans Bernhard: Aber schon High-Tech.
lizvlx: Sophisticated, ja, aber es ist Low-Tech - kein Javascript-Super-Engine-erarbeitet-mit-Windows-2000
64 B-blabla mit irgendwelchem Blödsinnszeug – denn das braucht
es auch gar nicht. In der Umsetzung von Formular zum Output hätte
das gar keinen Einfluss auf das abschliessende Design. Natürlich
könnten wir auch 100% gefälschte, unterschiedslose Formulare
machen. Aber das wäre nicht besonders interessant.
Hans Bernhard: Beim „Injunction-Generator“ boten wir ja die
Möglichkeit, online pseudo-reale Gerichtsbeschlüsse zu generieren.
Auch das «[V]ote –Auction»-Projekt war ein Fake-System.
Diese Ebene ist für uns nicht länger interessant. Uns interessiert
nun, das Ganze zu abstrahieren in die Ebene der Zeichen. Wir bewegen uns
weg vom Konkreten, was wir Media Hacking nennen, wo wir mit Low-Tech-Mitteln
eindrangen in die massenmedialen Kanäle und dort Messages absetzten
und kommunizierten. Wenn du das einmal gemacht hast... Nun möchten
wir uns treiben lassen und schauen, wo führt es uns hin?
Die Ästhetik re-arrangierter Bankauszüge
Ein Abstraktionsvorgang bedeutet ja, in einer komplexen
Realität etwas „heraus zu ziehen“, einen Aspekt zu fokussieren
und damit weiterzuarbeiten. Man interessiert sich für den Grid, der
den Baum strukturiert und malt weiter mit dem Grid, zum Beispiel. Was
genau wäre denn am Bankauszug, was euch interessiert?
lizvlx: Die Katze hat sich da ein bisschen in den eigenen Schwanz gebissen.
In der Maske sind Pulldown-Menus eingebaut, damit nicht jeder «Bankomat-Abhebung»
eintippen muss, sondern aus Standard-Termini wählen kann. Und diese
Pulldowns zeigen die Willkür der Inhalte, die zugleich aber vorgegeben
sind. Die Unfreiheit der Willkür ... in diese Richtung. Deshalb haben
wir diese Pulldowns in die Verfremdung der Kontoauszüge mit hinein
genommen, die ja eigentlich so nicht drin vorkommen würden –
genauer: nicht sichtbar vorkommen würden. Das ist die inhaltliche
Abstraktion.
Auf der andern Seite, formal ästhetisch, zählen wir Pixel. Ich
habe angefangen, auf einem unserer eigenen, ganz normalen Bankauszüge
Pixel zu zählen und deren Zahl dann reduziert, bis nur die relevanten
Pixel noch da sind. Dass du es mit einer minimalen Anzahl von Pixeln gerade
noch erkennen kannst. So habe ich das für das menschliche Auge Überflüssige
weggenommen und auch die Farben und die Zeichen der Cooperate Identity
der Banken.
Es wäre nun sicher ganz unterhaltend, wenn die Leute jetzt einfach
ihre Bankauszüge fälschen könnten und sehen könnten,
wie leicht das geht. Es geht uns aber vielmehr darum, sich mit der Ästhetik
dieser Dokumente auseinanderzusetzen.
Weil diese unsere Art und Weise des Denkens prägt.
lizvlx: Genau.
Hans Bernhard: Den billigen Hype könntest du mit dem Fälschen
locker abziehen.
lisvlx: Das wäre zu fad, auch zu einfach. Kontoauszüge, das
ist zwar vielleicht unangenehm, sind superbanal zu fälschen. Auch
eine Bancomatkarte wäre das – damit haben wir vor fünf
Jahren schon gearbeitet. Ist ja logisch: Die Leute, die solches produzieren,
arbeiten mit derselben Software wie die Fälscher.
Ihr entscheidet euch, nicht den Effekt, das grosse
Publikum, zu suchen, nicht zu viel Spass zu bieten. Fühlt sich denn
das unglaubliche mediale Echo, das eurer Plattform für den Verkauf
von Wählerstimmen gelang, im Nachhinein billig an? Oder ist es ein
Versuch, nicht in eine Spirale zu geraten, sich selbst überbieten
zu müssen? Ist der Erfolg von „[V]ote -Auction“ ein Trauma,
dem ihr jetzt mit gezielter Verrätselung und Ästhetisierung
entgehen wollt?
Hans Bernhard: (Lacht.) Neinnein! Aber das war so sensationell, unschlagbar,
dass es keinen Grund gibt... wir arbeiten ja weiter mit der «[V]ote
–Auction». Wir stellen diese Arbeit – ja unsere wichtigste
Arbeit in diesem Bereich – jeden zweiten Monat aus. Aber man ist
nicht nur das, was man einmal gemacht hat. Wir wollen nicht im selben
Bereich eine nächste Aktion machen, immer in dieselbe Kerbe hauen,
so wie die etablierten Künstler, die ihren Erfolg dann einfach repetitiv
wiedergeben, drehen und ausbauen.
Nicht Travelling Salesmen werden der eigenen Arbeit.
Hans Bernhard: Ich könnte das auch gar nicht. Ich sehe unsere Arbeit
mit den Bankauszügen ja mehr als Forschung. Wie abstrakt kann man
werden, dass der Rezipient noch versteht, was als Fragestellung dahinter
steht, ohne dass man es ganz plakativ macht? Kann man daraus eine spezielle
Ästhetik generieren, eben nicht diejenige der UBS, sondern unsere
eigene ubermorgen- Ästhetik?
Der Impact, den die «[V]ote -Auction» hatte,
verdankt sich ja nicht nur dem Interesse der User. Das System sah sich
angegriffen und reagierte und produzierte selber wieder eine Ästhetik
– das Video der Fernsehsendung von CNN zum Beispiel, die euer Projekt
diskutierte und das ihr nun in eurer Ausstellung im [plug.in] zum Beispiel
verwertet. Jetzt nehmt ihr es mit der Ästhetik von Banken und vermutlich
auch ähnlich strukturierten Firmen auf. Aber werden diese sich darin
überhaupt noch wieder erkennen? Sie werden sich im reinen Kunstkontext
womöglich dafür gar nicht mehr interessieren.
lizvlx: Es wäre ja ein Leichtes gewesen, Kontoauszüge zu fälschen.
Im Online-Banking kann man sich ja pdf- Dateine produzieren lassen, die
eh auf jedem Drucker wieder anders rauskommen. So könntest du ja
nie zwischen einem Original und einer Fälschung unterscheiden. Es
gibt gar kein Original mehr. Natürlich bist du da schnell in einem
Grenzbereich der Legalität. Nicht dass es jetzt mühsam wäre,
wenn man illegale Sachen macht – das ist ja Wurst. Aber die Sache
ist, dass man dann selber als Produzent derjenige ist, der das Illegale
macht, während der User nur der Nutzniesser ist. In diesem Sinne
nähmst du dem User die Verantwortung ab – das kann nicht Sinn
und Zweck sein.
«[V]ote -Auction» war ja platziert in einem
Markt der Aufmerksamkeit, kritisiert einen Markt, der Stimmen verkauft.
Wie ist denn euer Verhältnis zum Kunstmarkt? Ist das einfach ein
neutraler Ort, wo ihr Geld abholen möchtet?
lizvlx: Für uns teilt sich das weniger auf in einen Bereich von Kunst
und Nicht-Kunst, sondern in einen Bereich «Fine Arts» und
alles andere, das da nicht darunter fällt. Man hat halt einfach beobachtet,
dass Leute die im Fine Arts-Bereich arbeiten, von vornherein ganz andern
Kriterien unterworfen sind, sich dessen aber gar nicht so bewusst sind.
Diese Kriterien sind dann oft in die Arbeit integriert. Da gibt es manchmal
Leute, die zeigen dir etwas, das sie gemacht haben, selber gar nicht so
toll finden, sich aber gut verkaufen lässt. Das könnte uns gar
nicht passieren, nicht, weil wir irgendwie besser sind, sondern weil unsere
Arbeitsweise eine andere ist. Von dieser Thematik, der Reibung mit dem
Kunstmarkt, sind wir nicht so betroffen gewesen. So stehen wir dem auch
ziemlich indifferent gegenüber. Diese Top-Prozent, die sich damit
beschäftigen, einige wenige Bilder zu Wahnsinnspreisen zu verkaufen,
haben mit dem Kunstmarkt auch nicht so viel zu tun. Solche Wahnsinnsmargen
gibt es in allen Märkten.
Ist es nicht auch eine Entscheidung, jetzt nicht eine
Dienstleistung zu verkaufen, was ihr ja potenziell tun könntet: Margen
verlangen oder auch nur Nutzergebühren? Sondern mit einem Produkt
zu handeln?
lizvlx: Das wäre so ein Dotcom-Szenario, das eh nicht funktioniert.
Hans Bernhard: Wir machen ja Dienstleistung. Wir sind ja im Kunstbetrieb
drin und arbeiten auf Projektbasis, Ausstellungsbasis. Davon leben wir.
Zudem haben wir bereits vor zwei Jahren entschieden, dass wir umstellen
vom rein Digitalen und Produkte erarbeiten, weil uns das interessiert.
Uns interessiert das Material, die Möglichkeiten von Archiv und Sammlung,
das ganze etablierte System des Kunstbetriebes und des Kunstsammelwesens.
Wir haben auch einfach einen anderen Output, wenn wir konkrete Vorgaben
haben. Wir wurden jetzt auch oft eingeladen in Ausstellungen. Die «Range»
geht jetzt von Malerei, Digitalem bis Video etc. Das hat auch mit der
Zeit zu tun, die man einem Betrachter anbietet. Einen solchen Generator
wie im [plug.in] hast du ja in zehn Minuten gesehen – danach kannst
du dich an den Rhein runtersetzen und überlegen, was das soll. Ein
Video schauen sich die Leute 20 Minuten lang an, das finde ich phantastisch.
Auch mit grossen Drucken machten wir supergeile Erfahrungen in Museen
– die haben eine Wirkung, die bekommst du mit digitalen Medien einfach
so im Moment nicht hin. Wir können diese Medien mit Selbstbewusstsein
benutzen, denn wir haben immer unsere digitalen Produkte auch noch im
Rucksack und werden sie auch immer haben.
lizvlx: Das stimmt schon, was du sagst, es hängt aber schon auch
mit dem ursprünglichen Begriff von Net Art zusammen. Natürlich
ging’s da um digitale Mittel, das ist ja, was neu war. Aber noch
wichtiger geht es um die Auseinandersetzung mit dem User. Wenn ich in
einer Real-Life-Umgebung bin, in einem Ausstellungsraum, einer Galerie,
dann ist der User halt ein realer Besucher. Und nicht einer, der gemütlich
bei sich zu Hause sitzt und auch die fadeste, langsamste Webseite eine
halbe Stunde lang runterladen kann, weil er daneben noch fünf andere
Sachten macht. Er ist jetzt eben hier und fährt ja nicht durch die
ganze Stadt, um sich für fünf Minuten was anzuschauen. Auch
deshalb macht es Sinn, Sachen anzubieten, die auch Zeit brauchen. Auf
diese Situation ist einzugehen, das ist bei Net Art halt wichtig –
und macht es nötig, vielleicht auch einmal auf Canvas zu gehen.
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