03.07.2006 16:09 Uhr

Google unter Kunst-Attacke

Friss dich selbst!

Wie Netzkünstler das Info-Imperium Google angreifen wollen.
Von Klaus Lüber

„GWEI“ macht sich das Belohnungssystem zunutze, indem es Google eine Vielzahl von Werbebannern auf versteckten Webseiten zur Verfügung stellt.

Es mag an der wahnwitzigen Geschwindigkeit liegen, mit der Google gerade neue Services erfindet, die auf immer abenteuerliche Weise in unser Leben grätschen: der enorme Einfluss jedenfalls, den die Suchmaschine schon jetzt auf ihre Benutzer ausübt, scheint vielen unheimlich zu werden. Google sei dabei, sich zur „Weltmacht“ zu entwickeln, befand der Stern, Neon macht sich ernsthafte Sorgen um die moralische Standfestigkeit der Mega-Firma und fragt: „Wie böse ist Google?“ Und das Fachmagazin ct warnt gleich in einer ganzen Serie von Artikeln vor dem Privatsphären-untergrabenden „Info-Kraken“.

Auch wenn das Unbehagen gegenüber dem Informationsmonopolisten nur langsam ins Bewusstsein des durchschnittlichen Anwenders sickert, die net.art-Kunstszene beschäftigt sich seit Jahren mit Google. Net.art-Künstler verstehen sich als ästhetische Aktivisten in der Tradition der sechziger Jahre. Heute wie damals ist die Störung des kapitalistischen „Systems“ das Ziel, nur dass dieses System heute eben auch in den Codes dominanter Software seinen Ausdruck findet.

Zusammen mit einem italienischen Künstler-Kollegen hat es sich der österreichische Aktionist Hans Bernhard in seinem neuesten Projekt deshalb vorgenommen, Googles Info-Imperium durcheinanderzubringen. Ganz im Sinne der alten Guerilla-Kampflogik, wonach ein übermächtiger Gegner von kleinen beweglichen Angreifern unterwandert und wie eine von Viren infizierte Körperzelle sich selbst von innen heraus zerstört, soll der Suchmaschinen-Riese gleichsam an seiner eigenen Größe ersticken. „Google Will Eat Itself“ (www.gwei.org), so der bezeichnende Titel der Arbeit, will Google am Herzstück seines kommerziellen Erfolgs attackieren, der Online-Werbung. Über 90 Prozent seiner Einnahmen verbucht der Suchmaschinen-Betreiber mit Text-Anzeigen, auf der Hauptseite oder als Schriftbanner auf Partnerseiten. Mit jedem Klick eines interessierten Surfers zahlt der Inserent eine Gebühr an Google, von der ein Teil wiederum als Belohnung an den Seitenbetreiber geht.

„GWEI“ macht sich dieses Belohnungssystem zunutze, indem es Google eine Vielzahl von Werbebannern auf versteckten Webseiten zur Verfügung stellt. Surft jemand auf eine dieser Seiten, löst ein Mechanismus Klicks auf allen anderen aus, die dann von Google entlohnt werden. Dieses Geld wird wiederum in Google-Aktien investiert. Gerade einmal 202 Millionen Jahre wird es laut der Projektwebseite so dauern, bis Google komplett im Besitz der GTTP (Google To The People Public Company) ist.

Soll man schmunzeln ob der Anarcho-Geste des Projekts, soll man sich als enttäuschter Anti-Googler über die augenzwinkernde Absurdität der Arbeit aufregen oder empört Partei für die um ihr Geld geprellten Werbekunden übernehmen? So genau darf man das natürlich nicht wissen. Denn der Sinn des Google-Angriffs soll doch wohl sein: Verwirrung zu stiften, symbolische Dissonanz zu erzeugen, den Blick zu schärfen für die virtuellen Mechanismen, die Google zu einem gigantisch aufgeblähten Global Player gemacht haben.

Viel mehr könne man ohnehin nicht tun, sagt Bernhard. Seit zehn Jahren ist er Medienaktionist. Als Gründungsmitglied der Net-Art-Künstlergruppe „etoy“ war er an dem in der Szene berühmten „Toywar“ beteiligt, bei dem es gelang, durch gezielte medienwirksame Aktionen die Aktie des Spielzeugherstellers Etoys zu drücken, nachdem dieser versucht hatte, die Webseite www.etoy.com für sich zu vereinnahmen. Und im Jahr 2000 betreute er die vielbeachtete Aktion „Voteauction“. Unter dem Slogan „Bringing Capitalism And Democracy Closer Together“ wurde damals amerikanischen Staatsbürgern auf einer gefakten Webseite die Möglichkeit geboten, ihre Stimme für die Präsidentenwahl zu verkaufen. Das Medienecho war so groß, dass sich sogar die CIA einschaltete.

Google wird sich vermutlich nicht selbst veräußern, nicht in den nächsten 200 Millionen Jahren. Aber darum geht es auch nicht. „GWEI ist ein Stück Konzeptkunst und ein privates Forschungsprojekt zur globalen Klick-Ökonomie“, sagt Bernhard. Was wohl heißt, dass das Projekt trotz aller aktionistischen Geste doch „nur“ Kunst ist. Dabei allerdings nicht die schlechteste.